DAS ENDE DER VOLKSPARTEIEN. UND MERKEL?

Von Alex Beard

Die deutsche Politik läuft ganz anders als in Großbrittanien. Das Wahlsystem heißt, dass die Sitze im Parlament selten für eine absolute Merheit einer Partei reichen. Deswegen müssen Koalitionen aus verschiedenen Parteien verhandelt werden. Dies gilt sowohl für die Politik auf nationalen Ebene, die im deutschen Bundestag ausgespielt wird, als auch für die Landtagen in den verschiedenen deutschen Staaten, oder Bundesländer, die Deutschland zu einem föderalischen Staat Machen.

Bis vor kürzem war es relativ einfach, eine Regierung zu bilden. Die beide ‘Volksparteien’, die eh konservative CDU, ihre Schwesterpartei im Bundesland Bayern die CSU und die mittelinke SPD. Diese politische Kräfte haben immer die Kanzlerkandidaten gestellt und die deutsche Politik dominiert, indem sie außer einigen Fällen fast immer Ergebnisse über 30% gezählt haben. Die CSU konnte sogar in Bayern normalerweise mit einer absoluten Mehrheit regieren.

Merkel 2.jpg

Wenn es um Koalitionsverhandlungen ging, war es ganz einfach. Wenn die SPD stärkste Kraft worden, fingen sie an, mit den Grünen über ein mögliches Bündnis zu sprechen. So war es in den  Jahren 1998 und 2002, als SPD-Politiker und Kanzler Gerhard Schröder eine solche ‘rot-grüne’ Regierung gebildet hat. Für die CDU und CSU, die zusammen als ‘Union’ im Bundestag sitzen und öfter gewonnen haben, war es häufiger die wirtschaftsliberale FDP, mit der sie regiert haben. Eine ‘schwarz-gelbe’ Regierung gab es auf Bundesebene von 2009 bis 2013.

Koalitionen, die anders waren, existierten aber waren nicht so oft zu sehen. Regierungen geführt von CDU und Grünen oder SPD und FDP haben manchmal auch geklappt, und ‘Dreie-Bündnisse’ wie eine sogennante ‘Ampel-Koalition’ aus SPD, FDP und Grünen (schwarz, gelb, grün) waren auch möglich aber worden in den meisten Fällen vermieden.

Was im letzlichen Jahrzehnte sich wirklich verändert hat, ist eine steigende Tendenz nach großen Koalitionen, die aus den zwei oder drei Volksparteien entstehen. So wird die heutige deutsche Regierung seit 2013 geführt. ‘Groß’ gennant, weil sie durch die stärkste politische Kräfte riesige Mehrheiten erreicht haben, sind diese Bündnisse inzwischen viel häufiger geworden.

Merkel 3.jpg

Die aktuelle Lage:

Eine politische Not gibt es heute oft für solche ‘Grokos’, denn die parteiliche Landschaft erlebt ein radikales Wechsel, das es viel schwieriger macht, Mehrheiten für traditionellen Koalitionen wie schwarz-gelb oder rot-grün zu finden. Die Rechtsradikale ‘AfD’, mit der keine Partei koalieren will, ist im Jahr 2017 zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen und ist seit der Hessenwahl jetzt in allen deutschen Landtagen präsent.

Statt stabile Regierungen zu gründen, sind diese Koalitionen allerdings sehr schädlich für die Bundespolitik. Dass die SPD mit der Union verhandeln muss, heißt, dass die Kompromissen machen muss, die ihre sozialdemokratische Werte schwächen. Und wenn die beide Volksparteien in der Regierung sitzen, ist keine davon bei einer Wahl eine wirkliche Alternative.

Verlorene Wähler der GroKo-Parteien scheinen, in zwei Richtungen zu gehen. Die erste ist zu der schon erwähnten ‘Alternative für Deutschland’, die durch die Abschaffung von Migranten und ein hartes Kurs gegen Einwanderung, die Frau Merkel im Jahr 2015 erlaubt hat, die Problemen der deutschen Wählerschaft lösen will. Besonders stark im Osten, setzt diese teils rechtsextreme Partei auf eine Populismus und Identitätspolitik, hinter der keine konkrete Wirtschafts- oder Sozialprogramm steht. Trotzdem liegt sie laut den Umfragen jetzt bei ungefähr 15% bis 18% der Stimmen und würde dadurch drittstärkste Kraft werden, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre.

Der anderer starker Gewinne ist die Grünepartei, die im Jahr 1980 gegründet wurde. Am Anfang eine Protestbewegung, die mit keinen anderen Parteien koalieren wollte, ist sie inzwischen eine regierungsfähige und kompromissbereite Kraft geworden und hält in Baden-Württemburg sogar das Amt des Ministerpräsidenten. Für die Grünen, die von beliebten Robert Habeck und Annalena Baerbock geführt werden, geht es um mehr Sozialgerechtigkeit und Gleichberechtigung, sowie eine radikalere Umweltspolitik. Für die Partei, die in den Prognosen bei derzeit ungefähr 20% liegt, ist die erste Kanzlerschaft sogar im Sicht.

Die Landtagswahlen:

Wegen seines Föderalismus, das heißt, dass Deutschland in 16 Staaten oder sogenannte ‘Bundesländern’ geteilt ist, wird regelmäßig in Deutschland auf einer Landesebene Parlamenten, oder ‘Landtagen’ gewählt. Sie sind nicht nur wichtig, wenn es um Entscheidungen über die Zukunft des Landes geht, sondern auch, weil sie als klares Signal für die Bundespolitik gelten.

In Bayern, die seit dem Krieg von einer CSU-Regierung geführt wird, die in nur einer Legislaturperiode vor 2018 keine absolute Mehrheit hatten, am 14.Oktober gewählt. Es ist das deutsche Bundesland mit der größten Fläche, und gilt als traditionell, katholisch und höchstkonservativ.

Merkel 4.jpg

Die Ergebnisse wären erstaunlich gewesen, wenn sie nicht in den Wahlprognosen vorhergesagt worden wären. Für sowohl die CSU als auch die SPD gab es zweistellige Verluste, während die Grünen mit knapp unter 18% ihr bestes Ergebniss, die sie je gehabt haben, gefeiert haben.

Die CSU musste mit ihr schlechtestes Wert seit dem Ende des zweiten Weltkrieges rechnen und einen Koalitionspartner finden. Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer, der mit seinem Ruf auf ein ‘Rechtsrück’ und Aussagen zu den rechtsradikalen Protesten in Chemnitz höchst umstritten ist, wird als klarer Verlierer gesehen und hat viel Einfluss auf der Bundesebene sowie in seiner Partei verloren. Trotzdem haben die Christsozialen sowieso 37% der Stimmen bekommen und können dadurch eine Koalition mit den ähnlichgerichteten Freien Wählern bilden.

Für die Sozialdemokraten war die Lage sogar schlechter. Sie bekamen ein einstelliges Ergebnis, das heißt, das schlechteste, das sie seit der Nazizeit in einer Landtags- oder Bundestagswahl gekriegt haben. Und zwar war ihre Spitzenkandidatin Natascha Kohnen eigentlich ganz beliebt. Wie die CSU sind frühere SPD-Wähler in zwei Richtungen abgewandert: zu den Grünen und zur AfD.

Im Bundesland Hessen, das zwei Wochen später auch einen neuen Landtag gewählt hat, waren die Ergebnisse ganz ähnlich: massive Verluste für die beiden Volksparteien CDU und SPD, während die Grünen und die AfD starke Gewinnner sind.

Die Folgen:

Diese Landtagswahlen zeigendass die Volksparteien, die früher Große Koalitionen gebildet haben, nicht mehr das Volk repräsentieren und nicht mehr so groß sind. In den heutigen Umfragen zu einer möglichen Bundestagswahl ist die SPD mit rund 15% nur noch viertstärkste Kraft, hinter die AfD und den Grünen, während die Union, die bei der Wahl im Jahr 2013 41,5% der Stimmen bekommen haben, nur noch mit ungefähr 25% rechnen können.

Dies macht es viel schwierige, stabile und starke Koalitionen zu bilden, die Deutschland wirklich regieren könnten, weil es so tief gespalten ist. Mit den neusten Umfragewerten wären die mögliche Konstellationen nur noch ein Jamaika-Bündnis, das letztes Jahr nach der Bundestagswahl abgelegt wurde und den Grünen wahrscheinlich schädlich wäre, oder eine Union-SPD-FDP Koalition, die das Problem einer großen Koalition nicht lösen würde. Wenn eine solche Konstellation nach der Wahl im Jahr 1976 gebildet worden wäre, hätte es 100% der Stimmen im Bundestag gehabt.

Das haben sowohl Union- als auch SPD-Politikern anerkannt, die auch große Veränderungen fordern.

Und für zumindest die CDU, beziehungsweise die Bundeskanzlerin, ist das gelungen. Sie hat am Monntag nach der hessischen Landtagswahl ihre Rücktritt aus dem Parteivorsitz der Christdemokraten angekündigt, obwohl sie immer noch vorhat, im Kanzleramt bis zu der geplanten Wahl im Jahr 2021 zu bleiben. Das repräsentiet das Ende einer Ära. Seit 2002 ist Angela Merkel CDU-Parteivorsitzende und schon seit 2005 Bundeskanzlerin. Für ihre pragmatische Politik und Entschiedungen während der Flüchtlingskrise wird sie von den konservativeren Flügeln ihrer Partei kritisiert aber hat zum größten Teil das Respekt der Politikern, inklusiv außerhalb der CDU. Mehr darüber wird in den kommenden Wochen berichtet werden.

Für die SPD ist die Frage existentiell. Kevin Kühnert, der Chef der Jugend-SPD ‘Jusos’, fordert wie viele, besonders aus dem linken Flügel, das Ende der großen Koalition, die die Partei fast zerstört hat. Um verlorene Wähler zurückzugewinnen brauchen die Sozialdemokraten ein wirkliches mittelinkes Kurs, das die Union nicht durch Bündnisse schwächen kann. Das will die höchstunbeliebte Parteichefin Andrea Nahles allerdings nicht. Ob jemand anders sich für die Parteispitze melden wird, ist noch unklar.

Eins ist klar, die CDU, CSU und SPD müssen sich verändern, um in dieser Zeit noch leben zu können. Wenn es zum Ende der wahrscheinlich letzten Koalition kommen wird, kann doch niemand sagen.